Dienstag, 25. Juli 2006
Farnstoff
Farnstoff, 16, Kragenbär und seines Zeichens Sturkopf der härtesten Sorte, saß an einem wunderschönen Freitagmorgen auf seinem von der Morgensonne genau richtig temperierten Lieblingsstein, lehnte mit dem Rücken an einer krummen Palme und kratzte sich genüsslich den Bauch.
Farnstoff war der festen Überzeugung ein Kakadu zu sein. Schon seit Jahren. Wenn man Farnstoff fragte seit wann er denn ein Kakadu sei, hieß es immer:
„Seit ich denken kann.“.

Andere Bären wussten den Zeitpunkt besser zu datieren und nannten den 6. Mai 1995 als Schöpfungstag von Farnstoff, dem Kakadu. Einer der älteren Bären und ein notorischer Besserwisser, wollte sogar die genaue Uhrzeit benennen können, nämlich 8:32. Das genau zu diesem Zeitpunkt Farnstoff eine 5kg schwere Kokosnuss auf den Kopf geknallt ist, wusste kaum einer und die wenigen, die sich daran erinnerten, sahen absolut keinen Zusammenhang zwischen diesen zwei Ereignissen, was sehr typisch für Kragenbären ist.
Auch das etlichen anderen Bären in der Vergangenheit eine Kokosnuss auf den Kopf fiel und sie sich danach für Blessrallen, Zebras oder Krill hielten, machte keinen der Bären stutzig und sie genossen weiterhin ihren Nachmittagsschlaf unter der nächsten Kokospalme.
Farnstoff meinte also, er wäre ein Kakadu. Das hatte im Grunde keine weiteren Auswirkungen auf sein Bärenleben, da er ein Kakadu war, der Angst vor dem Fliegen hatte. Die logische Schlussfolgerung daraus war eben, dass er sich daher lieber auf dem Boden fortbewegte.
Ganz zu Anfang hatte er es ja sogar einmal versucht mit dem Fliegen; aber davon erzählte er niemandem etwas und versuchte in den auf seinen Flugversuch folgenden Tagen seine plötzlich etwas höhere Stimme zu verbergen.
Dadurch dass diese Kokosnussvorfälle häufiger auftraten, kümmerte es auch keinen in der Bärengruppe, das Farnstoff nun ein Kakadu war. Sie ignorierten ihn einfach wenn er wieder mit dem Nestbau und dieser Eierleggeschichte anfing.
Nur das obligatorische Balzgehabe, welches Farnstoff, samt seiner knapp 200kg, in vollkommenen doppelten Touloups und dreifachen Rittbergern ausführte, während er krampfhaft versuchte ein Liedchen zu trällern, war dem Rest der Gruppe etwas peinlich und meist verkrümelten sie sich dann verstohlen in die Büsche und behaupteten steif und fest Farnstoff noch nie zuvor gesehen zu haben, geschweige denn zu kennen.

An diesem Tag kam ein echter Kakadu vorbei geflogen, machte eine Pause auf der Kokospalme an der Farnstoff lehnte und ließ einen kleinen Vogelschiss fallen.
Der Vogelschiss traf Farnstoff genau auf die Stirn. Farnstoff hasste Vogelkacke.

„Bist du bescheuert? Verpiss dich, du dummes Geflügel da oben!“ , rief er dem Kakadu zu.
Der Kakadu schaute verwundert nach unten und sah dort einen fetten Bären mit finsterer Miene und einem Vogelschiss auf der Stirn.
“Wer bist’n du, du fetter Klops? Komm doch hoch wenn de dich traust!“ , schnauzte der Kakadu zurück.
Farnstoff bekam einen vor lauter Wut roten Kopf und rief empört
„Ich bin Farnstoff, der Kakadu, und noch ein Wort und ich komm wirklich da hoch! Verzieh dich!“
Der Kakadu legte seinen Kopf schräg und glaubte nicht recht gehört zu haben, fing dann aber nach ein paar Sekunden laut an zu gackern.
„Du willst ein Kakadu sein? Du hast ja ´nen Knall! Mein Gott, schau dich doch an und dann mich; sehen wir uns irgendwie ähnlich? Ich bin ein Kakadu und du bist ein stinknormaler Bär. Und meschugge noch dazu!“
Jetzt war es Farnstoff der plötzlich in lautes Lachen ausbrach.
„Du? Ein Kakadu? Mein Gott wie lächerlich! Du bist doch nur ein blöder Vogel, ein winziger Piepsmatz, ein hagerer Broiler! Ganz recht, schau mich an und dann dich: Na, wer ist hier der Kakadu!? Hä? Pfeife.“ , triumphierte Farnstoff.
Der Kakadu öffnete seinen Schnabel um etwas zu erwidern, aber ihm fiel auf soviel Sturheit nichts mehr ein und außerdem fühlte er sich durch den Broilervergleich stark beleidigt.
„Wichser.“ brachte er noch heraus und flog dann gekränkt von dannen.
Farnstoff spuckte kurz aus, wischte sich den Vogelschiss vom Kopf und lehnte sich wieder an seine Palme.
„Und Morgen…“ , dachte er, „Morgen fang ich mit der Balz an.“

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Sonntag, 28. Mai 2006
Adopt-a-Maker
Meine Eltern gehörten zu den Menschen, die unser aller kollektives Schuldgefühl den Armen dieser Welt gegenüber erleichtern wollten, in dem sie ein oder zwei Patenkinder in Indien oder Bangladesh mit Hilfe bedachten. Oder zumindest deren Organisation. Das war ja damals so Mode und diente einem guten Zweck.
Um meine Eltern bei Stange zu halten, musste das Patenkind alle Jahre wieder eine kurze Pause von seiner Arbeit an Kleidungsstücken für große, globale Unternehmen machen
und ihnen einen lustigen, fröhlichen Brief mit bunten Stiften und einem kleinen Bild darunter schreiben. Danach konnte es dann endlich wieder weiterarbeiten und das Briefchen landete bei uns auf dem Küchentische, wo es von meinen Kinderaugen intensiv und interessiert gemustert wurde.

So etwas kann doch in unserer heutigen 24/7 Kapitalismusgesellschaft mit nonstop Kosten/Nutzenrechnungen gar nicht mehr funktionieren. Wen wollen die
Patenkindorganisationen denn mit so einem kleinen Krakelbrief hinter dem Moneten-Ofen hervorlocken? Um mal wieder ordentlich Spender zu fangen, sollten sie sich vielleicht etwas Gedanken über die Vermarktung ihres Anliegens machen.

So wäre es doch viel reizvoller wenn der kleine Kamal an Stelle des Briefchens, sein gerade eben fertiggestelltes Markenschuhpaar in das Päckchen packen würde. Alle hätten sie mehr davon:
Die Pateneltern würden sich über ein tolles Paar neuer Schuhe freuen und das Patenkind würde nicht wertvolle Arbeitszeit beim Briefeschreiben vergeuden. Außerdem wären die Pateneltern auf jedem gesellschaftlichen Großereignis DIE Attraktion mit ihren, von ihrem eigenen Patenkind hergestellten Schuhen und jeder würde sehen, wie unglaublich karitativ engagiert die Träger doch wären.
Andererseits wird es der internationalen Schuhfirma wahrscheinlich weniger gefallen, dass ihre neuesten Modelle den normalen Vertriebsweg umgehen und einfach so an potentielle Kunden verschickt werden. Und dafür haben sie dem kleinen Kamal schließlich nicht diese tolle Möglichkeit des Zeitvertreibs angeboten.

Wie wäre es also, wenn sich die Bekleidungsfirmen mit den Patenkindorganisationen zusammentun würden?! An jedem Schuhkarton könnte dann ein kleines
Etikett mit einem niedlichen Foto auf das Kind verweisen, welches dieses Schuhpaar liebevoll geschustert hat und über ein Kontaktformular könnte man dieses Kind direkt als Patenkind unterstützen.
"Adopt a Maker" könnte dieses Programm dann heißen und würde eine ganz neue Art der Kundenbindung schaffen: Auf einmal wird im Laden danach gefragt ob sie denn irgendetwas auf Lager hätten, was von der Indira aus Saidpur genäht wurde und wenn dem nicht so ist, wird eben vorbestellt, was sich auch positiv auf Indiras Lebensstil auswirkt, da wir ja alle wissen, dass zuviel ungerichtete Freizeit im schwierigen Kindesalter, häufig der Auslöser für ein Abweichen auf die schiefe Bahn ist. Eine lange Liste an Vorbestellungen hält Indira in der Fabrik und fern von bösen Einflüssen.
Mit "Meet the Maker" könnten außerdem Kurztrips in die Patenkindländer organisiert werden, bei welchen das Kind für ein, zwei Tage frei bekommt, in passable, möglichst niedliche Klamotten gepackt wird und im 5-Sterne-Hotel vorgeführt wird.
Und schließlich könnte sich auch das horizontale Gewerbe mit „Make a Maker“ einklinken…
Was für Aussichten!

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Freitag, 21. April 2006
Die Zukunft ist vegan!
So schrie mir vor ein paar Tagen ein Flyer aus meinem Briefkasten ins Gesicht. Da war er ja gerade richtig bei mir….
Ich weiß noch, dass ich vor einigen Jahren durchaus aufgeschlossen gegenüber Veganern, Frutariern oder was weiß ich für abgefahrenen Essgewohnheiten war. Ich fand es eigentlich amüsant, ja interessant, fühlte dass es mich ja nicht weiter zu betreffen hat und biss wieder in meinen BigMäc. Jeder ist schließlich seines eigenen Glückes Schlüsseldienst, oder so. Mittlerweile muss ich allerdings feststellen, dass mir viele diese Menschen mächtig auf den Sack gehen. Ich bin noch nicht so weit alle über einen Kamm zu scheren, aber weit ist’s nicht mehr….
Es ist ja gar nichts dagegen zu sagen, dass man bestimmte Lebensmittel, aus was weiß ich für Gründen, nicht essen möchte. Ich mag schließlich auch keinen Chicoree oder fände es abartig Rinderhirn zu essen. Nur diese Festgefahrenheit sehr vieler Veganer, sich nur noch ausschließlich über ihr Veganertum zu identifizieren und auf Gedeih und Verderb daran festzuhalten, als ob der große Brokkoligott persönlich sie zu Bratlingen stampfen würde, wenn sie es einmal wagen würden einen Tropfen Milch zu verschlucken, ist armselig. Aber gut, auch das wäre im Grunde ihr Problem und es würde mich nicht weiter kümmern. Problematisch ist nur, dass es anscheinend eine gemeinsame Schnittmenge von missionierenden Zeugen Jehovas und Veganern gibt. Ein typisches Gespräch mit einem Veganer läuft dann ungefähr so ab:

V(eganer): *skeptische Miene* „Was ist denn in dem Salat drin?“
Ich: „Olivenöl, Feldsalat, Sojasprossen, Sojasauce….“
V: *aufgeregt* „Sojasauce?? Oh, das ist aber schlecht. Ich bin nämlich Veganer/-in.“
Ich: „Ach? Naja, dann musst du dich eben an was anderes halten.“
V: *belehrende Miene* „In Sojasauce sind nämlich Krabbenextrakte drin, wusstest du das?“
Ich: „Ach? Nee, wusste ich nicht…“ *will weggehen*
V: „Ich finde heutzutage ist das moralisch nicht mehr vertretbar Tierprodukte zu essen. Schau dir doch mal die ganzen Massentierhaltungsprobleme an…“
Ich: „Hmm.“
V: „Ja, das ist doch alles nicht mehr vertretbar. Und Pflanzenkost ist auch sowieso viel gesünder. Würde es dich denn umbringen auf Tierprodukte zu verzichten??“
Ich: „Nö, aber…“
V: „Siehste! Und gerade du müsstest doch wissen unter welchen Bedingungen diese Produkte heutzutage….“
Abgang Ich

Richtig schlimm wird es dann auf Reisen (schließlich sind wir hier in Dschibuti ;-) ). Ich bin der Auffassung, dass egal welche Lebensvorsätze man hat, diese sich auf Reisen den Gepflogenheiten des Reiselandes unterzuordnen haben. Wenn ich in einem Land unterwegs bin, in dem extrem viel Wert auf Gastfreundlichkeit gelegt wird und diese vor allem durch Einladungen zum Essen gezeigt wird, gehört es einfach dazu, da mitzuspielen. Egal was da auf den Tisch kommt, es wird gegessen (wie früher bei Muttern…). In diesen Fällen würde ich auch, wenn es sich nicht vermeiden ließe, einen Happen Rinderhirn essen, oder was weiß ich. Es geht ja nur darum guten Willen zu zeigen. Danach kann man ja freundlich lächelnd sagen, dass es lecker war, aber man gerade erst gegessen hatte. Das nimmt einem keiner krumm. Wenn eine Veganerin allerdings partout keine der aufgedeckten (durchaus appetitlichen und auch z. T. vegetarischen) Speisen essen will und sich lieber an Erdnüsschen festkrallt, wird das bei jedem Mal auf weniger Verständnis treffen. Und ab diesem Punkt betrifft es dann nicht mehr nur den Veganer, sondern auch alle anderen Reisenden. Schließlich ist man immer eine Art Vertreter für seine Kultur oder Organisation für die man arbeitet oder wen auch immer. Auch hier würde ich nicht erwarten, dass ein Veganer ein Stück Fleisch hinunterwürgt (wobei, warum denn eigentlich nicht?), aber die gleichen pingeligen Maßstäbe in einem fernen Land anzuwenden wie daheim und jede einzelne Zutat auf ihre etwaige tierische Herkunft zu analysieren, um schließlich mit etwas pikierter Miene gar nichts zu essen, weil doch etwas Sojasauce enthalten ist oder getrocknetes Fischpuder rübergestreut wurde und sich später zu beschweren, dass die Leute so distanziert sind – das geht mir nicht in den Kopf und kräftig auf den Sack.

Insofern hoffe ich inständig, dass die Zukunft nicht vegan ist!!! Da bin ich mir zum Glück sogar ziemlich sicher….

So, und jetzt Hand hoch wer hier vegan ist! Da brauch ich mich dann wohl gar nicht mehr blicken zu lassen..;-)))

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